Jenseits von China und Indien zeichnen sich in Fernost zahlreiche Länder durch Wachstum, Innovation und demografische Vorteile aus. Vietnam, Thailand, Indonesien und Singapur haben sich zu dynamischen Ökonomien entwickelt – was Anlegern einen günstigen Moment beschert.
China oder Indien? Anleger, die in den vergangenen Jahren in Asien oder überhaupt in den Emerging Markets investieren wollten, sahen sich meist vor diese Alternative gestellt: Entweder die Volksrepublik oder der Subkontinent. Als würde der ganze riesige Erdteil nur aus diesen beiden Ökonomien bestehen. China und Indien sind zwar die bevölkerungsreichsten Länder und auch die größten Volkswirtschaften Asiens, doch der asiatische Investmentraum ist so viel reicher – und das im wahrsten Sinn.
Zusätzlich zu den beiden Giganten hat der Kontinent eine Reihe dynamischer Ökonomien zu bieten, die ihr jeweils eigenes Profil haben und damit auch für Anleger hochinteressant sein können. In Europa schafften viele kleinere und mittelgroße Länder nach dem Zweiten Weltkrieg eine bessere Börsenentwicklung als die großen Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich. Die Chancen stehen gut, dass sich im Fernen Osten im 21. Jahrhundert eine ähnliche Entwicklung vollzieht.
Dass viele asiatische Kapitalmärkte 2025 nicht so gut gelaufen sind, ist eher Bonus als Malus. Anders als in anderen Börsenphasen kann in der jetzigen Zeit von einer Überhitzung der Kurse keine Rede sein. Das bedeutet: Anleger haben gerade jetzt gute Chancen, die Opportunitäten des anderen Asiens zu ergreifen. „Wer beim asiatischen Investmentraum nur an China und Indien denkt, verpasst die eigentlichen Aufsteiger der Region“, sagt Arthur Enders, Portfolio Manager bei RP Rheinische Portfolio Management in Köln. Ähnlich formuliert es Ortay Gelen, Vermögensverwalter bei Axia Asset Management in Dortmund: „Neben Indien und China umfasst Asien weitere wirtschaftlich starke Länder & Regionen, welche von Anlegern oftmals übersehen werden.“
Bezeichnenderweise ist nur noch selten von den „Tigerstaaten“ die Rede ist. In den 1990er-Jahren richteten sich viele Blicke auf die aufstrebenden asiatischen Ökonomien Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong. Sie wurden nach dem unbändigen Raubtier benannt, das in dieser Weltgegend heimisch ist. Zwischenzeitlich jedoch schien die kraftstrotzende Volksrepublik China die ehedem gefeierten „Tiger“ in jeder Hinsicht zu überholen. Schien.
Die zunehmende geopolitische Konfrontation zwischen Peking und Washington offenbart jedoch, dass das chinesische Wachstumsmodell an seine Grenzen stößt. Das Reich der Mitte ist als „Werkbank der Welt“ nicht mehr alternativlos. Spätestens seit dem Zollstreit orientieren sich westliche Firmen, die aus Kostengründen in Fernost fertigen lassen wollen, wieder weg von der Volksrepublik. Neben den Tigern der 1990er-Jahre setzen auch andere Staaten zum Sprung an, ganz vorn mit dabei: Vietnam. War die Nation nach dem Sieg der Kommunisten unter Ho Chi Minh 1975 lange eines der ökonomisch unfreisten und ärmsten Länder des Kontinents, so zählen die Vietnamesen inzwischen zu den prokapitalistischsten Völkern.