RP Rheinische Portfolio Management
Marktrückblick
Die Sommermonate am Finanzmarkt sind dafür bekannt, sich ruhiger zu gestalten, als der Rest des Jahres. Auch in diesem Jahr ist dies der Fall und die Märkte sind im Juli weitgehend im Ferienmodus verweilt. Die geringe Volatilität verlieh den Kursen allerdings Stabilität, wodurch die großen Indizes ihre Stände in kleinen Schritten weiter nach oben hieven konnten. So bewegte sich z.B. der DAX in seiner seit Monaten laufenden Seitwärtsphase im Juli vom unteren an das obere Ende der Spanne und markierte in den letzten Handelstagen mehrere neue Allzeithochs. Der Stand von 16.528 Punkten wurde jedoch nicht ganz gehalten, sodass der Monat mit einer Entwicklung von 1,85% zu Ende ging.
Der breit gefasste amerikanische S&P 500 verzeichnete ein Plus von +3,11%. Im Tech-Werte Index NASDAQ betrug dies sogar +4,05%. Der interne Umbau der Indexkomposition wurde damit ohne nennenswerte Vorkommnisse verkraftet. Da die 7 größten Werte des 100 Aktien umfassenden Indexes über 55% des Gesamtgewichtes ausmachten, wurde aus Diversifizierungsgründen ein „Special Rebalancing“ vollzogen.
Getragen wurde der Aktienmarkt von der weiter abnehmenden Inflation. Diese sank im Juli auf 3% in den USA und 5,3% in der Eurozone. Nachdem die US-amerikanische Notenbank FED bei Ihrer vorletzten Sitzung die erste Pause im Zinserhöhungszyklus eingelegt hatte, hob sie den Leitzins im Juli nun noch einmal um 0,25 Prozentpunkte auf die Spanne von 5,25-5,5% – die höchste seit 22 Jahren. Auch die EZB zog wie mittlerweile gewohnt nach und vollzog den Erhöhungsschritt in selber Höhe. Da beide Erhöhungen vom Markt erwartet worden waren, richtete sich der Blick besonders auf den Ausblick, den die Währungshüter mitgaben. Hier war zum ersten Mal aus beiden Lagern zu vernehmen, dass der Autopilot bezüglich weiterer Straffung ausgeschaltet wurde. Die Datenlage zur Inflation und Konjunktur wird nun zunehmend auch für die EZB entscheidender. Dies bietet die Möglichkeit bei der nächsten Sitzung im September auch von der EZB eine Pause im Zinserhöhungs-zyklus zu sehen.
In der derzeit laufenden Berichtssaison haben ca. die Hälfte der Unternehmen ihre Zahlen vorgelegt. Viele Ergebnisse konnten dabei positiv überraschen und die Analystenerwartungen übertreffen. Diese waren allerdings recht konservativ, sodass die Gewinn- und Umsatzschätzungen keine allzu große Hürde waren. Besonders die Margen – die Kennzahl, die angibt wie viel Gewinn vom Umsatz bleibt – stachen positiv heraus. Die Unternehmen schaffen es also, den erhöhten Kostendruck durch die Inflation an ihre Kunden weiterzugeben. Häufig wurden Umsatzsteigerungen aber auch nur
aufgrund des Preisanstiegs erzielt – und das bei rückläufigen Absatzzahlen. Auch die großen Tech-Konzerne konnten die Erwartungen übertreffen. So überraschten beispielsweise Microsoft und Alphabet sowohl umsatz- als auch gewinnseitig positiv. Was jedoch auffiel: Größere Kursbewegungen nach sowohl positiven als auch negativen Ergebnissen blieben größtenteils aus.
Marktausblick
Trotz der kurzzeitigen positiven Überraschungen in der Berichtssaison, darf dies nicht den Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage trüben. Die vorlaufenden Indikatoren sinken weiterhin und bei vielen ist sogar weiterhin keine Bodenbildung in Sicht. Das Statistische Bundesamt gab zwar bekannt, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal der Rezession entkommt und in die Stagnation übergeht, jedoch handelt es sich hierbei um eine vorläufige Schätzung. Die letzte, deutlich zu optimistische Schätzung zum ersten Quartal wurde klar verfehlt, was schließlich in das offizielle Hereinrutschen in die Rezession mündete. Die Zahlen sollten also mit Vorsicht genossen werden.
Gerade vor dem Hintergrund steigender Insolvenzen steht der Kern der deutschen Wirtschaft auf wackeligen Beinen. Zwischen Januar und April 2023 wurden 17% mehr Insolvenzanträge als im Vorjahr gezählt und besonders der Juni liegt 50% über dem Wert in 2022. Auch im Vereinigten Königreich ist die Anzahl der Insolvenzen bedenklich hoch. Im 2. Quartal gingen über 6.000 Firmen bankrott – ein Wert, der zuletzt in der Finanzkrise 2009 erreicht wurde. Kritisch für die deutsche Wirtschaft ist weiterhin auch, dass der Privatkonsum zurückgeht und nach Entwicklungen von -1,7% und -1,2% in den vergangenen Quartalen real auf dem Stand von Winter 2017/18 steht. Bei einem Anteil von 50% des Privatkonsums am BIP verheißt diese Tendenz nichts Gutes. Auch in den USA steht der private Konsum vor einer Belastung, da im 3. Quartal die Rückzahlungspause für US Studentenkredite endet.
Inflationsseitig stand besonders das ausgelaufene Getreideabkommen zwischen der Ukraine und Russland im Fokus. Dies lässt mit Rückblick auf die Situation im Vorjahr wieder anziehende Lebensmittelpreise befürchten. In den USA bahnen sich darüber hinaus in mehreren Branchen Streiks an (z.B. in der Luftfahrt und im Transport). Die Gefahr, dass die Inflation damit tiefer in die Lohn-Preis-Spirale gelangt und strukturell wird, erhöht sich weiter. Steigende Frachtkosten hemmen darüber hinaus die angeschlagene Konjunktur. Außerdem senken nun eintretende Basiseffekte den Rückgang der Inflationsraten.
Auf der technischen Seite deuten die wesentlichen Indikatoren zwar immer noch auf einen intakten Aufwärtstrend hin, es mehren sich gleichwohl die Signale, dass der Trend aktuell „heiß läuft“ und der Markt „überkauft“ ist. Auch der Fear & Greed Index, der das Kaufverhalten der Marktteilnehmer aus psychologischer Sicht misst, signalisiert eine „extreme Gier“-Phase – historisch keine guten Zeiten für Einstiege in den Markt.
In solchen Phasen ist es meist ratsam sich an langjährig bewährte Regeln am Kapitalmarkt zu halten: Die Aktienkurse werden auf lange Sicht hauptsächlich von den Gewinnen getrieben. Die Gewinne wiederrum sind von der Konjunktur abhängig. Beide Faktoren geben aktuell noch keinen positiven Ausblick, weshalb die diesjährige Rallye am Aktienmarkt bisher nicht fundamental begründet werden kann. Auch von Seiten der Geldpolitik (Zinsen) gibt es weiterhin keine Entwarnung. Unsere neutrale Position mit negativer Tendenz sehen wir daher weiterhin als gerechtfertigt an.
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